Wie schon berichtet, sind die Menschen in meiner neuen Heimat auf Zeit sehr freundlich und offen. Da ich jedoch unübersehbar nicht aus China stamme, werde ich hin und wieder gefragt, wo ich denn herkomme. Zu meiner Freude ist die Reaktion auf meine Antwort, Deutscher zu sein, jedes Mal total positiv. Erst vor kurzem habe ich wieder jemanden kennen gelernt, der mir erzählte, wie toll wir Deutschen doch seien. Seine Begründung dazu: Fußball, Autos und Bier. Als ich dann noch sagte, dass ich aus Bayern komme, grinste er hocherfreut und zeigte ein Foto von sich, das während der letzten EM aufgenommen wurde. Darauf trägt er das Trikot der deutschen Nationalmannschaft mit der Nummer 13. Für diejenigen, die damit nicht direkt etwas anfangen können, diese Rückennummer gehört zu Thomas Müller, der bei Bayern München spielt. Seither achte ich immer besonders genau auf meine Umwelt und tatsächlich scheint es so, als wäre die Hälfte der deutschen Nationalmannschaft in China vertreten. Vor allem Schweinsteiger, Müller und Lahm haben hier mit ihrem Auftritt bei der letzten WM ordentlich Eindruck hinterlassen.
China feuert Deutschland an
Bei der letzten WM sollen über 100 Millionen Menschen die Spiele der deutschen Nationalelf verfolgt haben. Wie ich bei der diesjährigen EM am eigenen Leib erfahren habe, ist es gar nicht so einfach, bei der Zeitverschiebung noch genügend Schlaf zu bekommen, wenn man jedes Spiel sehen will. Begeistert erzählte mir mein neuer Bekannter, wie er vor zwei Jahren mit Freunden in einer Bar saß und das späte Tor von Mario Götze feierte – und das um 4.30 Uhr Ortszeit. Umso erstaunlicher finde ich diese Euphorie, wenn man bedenkt, dass Chinas einzige Teilnahme an der Weltmeisterschaft im Jahr 2002 bereits in der Vorrunde abrupt und torlos endete. Auch auf nationaler Ebene kennen sich die chinesischen Fans bestens in der Bundesliga aus. Neben dem FC-Bayern-Logo begegnen mir auch hier und dort mal wieder die Farben der Borussen. Kürzlich waren die Bayern in China wieder auf Promo-Tournee und haben seit einigen Jahren sogar ihre eigene chinesische Internetpräsenz. Damit wird deutlich, das China inzwischen auch für deutsche Clubs einen hohen Stellenwert hat. Bereits jetzt verbucht die Deutsche Fußballliga über 20 Prozent des Auslandsumsatzes auf dem asiatischen Markt – Tendenz steigend. Nachvollziehbar, dass bei der im Land vorherrschenden Fußballeuphorie seit einiger Zeit auch der nationale Fußball wieder intensiver gefördert wird. Nach Vorbild von Abramowitsch und Co. wurden auch hier mehrere Vereine von reichen Geschäftsleuten und Unternehmen aufgekauft, um diesen mittels einiger Finanzspritzen Spielertransfers zu ermöglichen. Damit soll nicht nur die Chinese Super League aufgemischt, sondern auch der heimische Fußball international konkurrenzfähig werden. Vor allem die Nationalmannschaft der Chinesen hat großen Förderungsbedarf. Misserfolge und lediglich FIFA-Rang 96 lassen deutlichen Entwicklungsspielraum nach oben zu. Um diesen Erfolgsplänen gerecht zu werden, besuchen viele chinesische Trainer deutsche Fußballschulen und auch in China soll eine Akademie des DFB entstehen.
China ist nicht nur an der deutschen Spielweise sehr interessiert, sondern auch an den Spielern selbst. Immer wieder werden verschiedenen Erstligisten horrende Summen für ihre Stars geboten. Aber auch China exportiert eigene Fußballer. Bis dato haben über zehn chinesische Athleten – wie Xizhe Zhang, der 2014 nach Wolfsburg wechselte, oder Jiayi Shao, der sogar zehn Jahre seiner Karriere in Deutschland spielte – ihren Weg in die erste und zweite Bundesliga gefunden und gemeinsam an die 100 Tore erzielt. Deutscher Fußball in China ist bereits ein Exportschlager, ob die Chinesen es schaffen, sich umgekehrt genauso zu etablieren, bleibt abzuwarten.